Die sanfte Bitterkeit: HONEY CUTT – Coasting (review)

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(photos & allrights: HONEY CUTT / Bandcamp / Facebook / Kanine Records)

° ° °

In dunkler Zeit kommt ein Hauch von Wundersamkeit herangeweht, locker, leicht, beschwingt und ehrlich.

Coasting
heisst das neue Album von

HONEY CUTT

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Ein Füllhorn voll Glückseligkeit, ein Hauch von Unendlichkeit, eine Brise der Sehnsucht, ein vertontes Liebesgedicht, ein unnachahmlich wunderbares Stückchen Freiheit.

Und ein Duett, in dem die Herzchen gleich reihenweise umherfliegen und von einem Sangespartner zum anderen hin- und hergewirbelt werden. Hung Up On Me hat diese quengelig-quirligen Gitarrenintermezzi, die wir lieben und die im Sonnenschein tanzen.

Ein Touch von Retro, von Vintage, von Mokka-Milch-Eisbar schwebt über dem Album, ein zarter Flair der Vergangenheit, der mit dem lieblich-schmeichelnden Organ von Kaley Honeycott eine unwiderstehliche Verbindung eingeht, ein Engtanzprogramm mit Rock’n’Roll-Habitus, ein verliebtes „Willst Du mal mein Eis probieren“ auf der Parkbank, natürlich rein virtuell gesprochen.

Gesangstechnisch irgendwo in der Nähe zwischen den typischen gehypten Frauen-gefronteten Bands und den Chanseusen der Britpop-Ära in den 1990er Jahren. Dabei mit so viel Engel-Jangle-Energie ausgestattet, dass einem schon mal die Luft wegbleiben kann und man denkt, hey, WIE geil ist das denn?
Sie hat dieses gewisse Etwas, bei dem ich schon jahrzehntelang ins Schwärmen kam und mit dem man mich immer kriegt.

Wie ein Stück Schokosahnetorte mit rumgetränkten Kirschen, ich mein, Kirschen in Sahnetorte sind schon an sich ziemlich fett, dazu aber noch in Rum eingelegt? Das ist grandios. Also, quasi Schwarzwälder Kirschtorte mit Schokosahne. Ein wenig übertrieben dargestellt, aber ich hoffe, Ihr versteht meine Absicht..

Das ist wie im Bett liegen mit der/dem Liebsten bei Kerzenschein. Wenn dann dazu noch ein laues Lüftchen die Tüllgardine ins Schwingen bringt, wenn dann noch ein Glas Rotwein neben dem Bett steht, wenn die Sonne gerade eben am Horizont untergeht, dann ist das die Zeit, in der man
Coasting
genau in der richtigen Lautstärke hören kann.

Das funktioniert natürlich auch ohne Kerzen, ohne Sonnenuntergang und ohne Schatzi an seiner Seite. Denn hier gibt es so viel zu entdecken, was einen mehr und mehr entflammen lässt.

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Es sind die kleinen Unwegbarkeiten, die
HONEY CUTT

zu etwas besonderem machen.
Die fein ausgearbeiteten Töne, die eine Traurigkeit transportieren und die in feinen Nuancen eine Melancholie und Traurigkeit hinter der auf den ersten Blick fast fröhlichen Fassade zum Vorschein kommen und sich dann als sich festsetzende Sticheleinen entpuppen. Diese feinsinnigen, eingearbeiteten Fast-Punk-Attitüden, angedeutet, spürbar und dennoch nicht den Hauch der Schönheit zerstören, sondern ihn erweitern, zu etwas Kostbarem werden lassen.

Das ist, wie das Zergehenlassen eines Stücks Zartbitterschokolade auf der Zunge, es löst sich langsam, fein, man bemerkt die sanfte Süße der Kakaobohne, die sich irgendwo verbirgt.

Kaley verarbeitet in ihren Songs ihr Leben, ihre Kindheit, in der sie mit ihrer Familie ohne Geld und ohne Bleibe in Florida ankam, wo sie sich eigentlich um ein älteres Familienmitglied kümmern wollten.

“I think that sometimes there is strength in just surviving. Seeing my mother get us through the things that she did when I was younger really made me who I am today.”

So war die Not recht groß und die Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit wuchs.
So auch ihr Wunsch, etwas zu erschaffen, was über das normale Maß an Aufmerksamkeit hinauswuchs. Sie begann, ihre eigenen Texte in Songs zu verpacken. Mit knapp 21 dann spielte sie ihre Songs in kleinen Bars in Orlando vor Publikum.Songs, die eine verzweifelte Entschlossenheit widerspiegeln, die tief im Inneren ein anderes, wahres Ich offenbaren, ein sich vom besonnenen Gute-Laune-Surf-Pop entgegenstellen – und dem Album Tiefe, Weitsicht und Intimität verleihen.

Coasting
ist in seinen Widersprüchen aufdringlich und voller Widerhaken.
Die man, langsam aber unaufhaltsam in sich aufsaugt und ihre Anwesenheit fast befreiend wahrnimmt.

Coasting
hat viel mehr zu bieten, als die beim ersetn Anschein mädchenhaft blitzende Stimme der Künstlerin herself.

Coasting
lädt uns ein.
Ein wunderbares, willkommenes Kennenlernen.

° ° °

90/100

HONEY CUTTCoasting
Kanine Records, 19.3.2020

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Vacation
Hung Up On Me
Suburban Dream
Fashion School
Judas Waltz
Coasting
All I Have
Orange Blossom Trail
Gentleness
Love Me, Still

// in english:

This gentle bitterness

In dark times, a touch of wondrousness comes along, relaxed, light, buoyant and honest.

Coasting
is the name of the new album from

HONEY CUTT.

A flux of bliss, a breath of infinity, a breeze of longing, a love poem set to music, an inimitably wonderful piece of freedom.

And a duet in which the hearts fly around in rows and are twirled from one singing partner to the other. Hung Up On Me has those whiny, whirly guitar interludes that we love and that dance in the sunshine.

A touch of retro, of vintage, of mocha-milk ice-cream bar floats over the album, a tender flair of the past, irresistibly combined with the sweetly flattering organ of Kaley Honeycott, a close dance program with rock’n’roll habitus, an amorous „Do you want to try my ice cream“ on the park bench, of course purely virtually spoken.

Vocally somewhere between the typical hyped women-fronted bands and the chanseuses of the Britpop era in the 1990s. Yet equipped with so much angel-jangle-energy, that you can get your breath away and you think, hey, HOW gorgeous is that?
It has that certain something that I’ve been raving about for decades and that always gets me.

Like a piece of chocolate cream cake with cherries soaked in rum, I mean, cherries in cream cake are pretty fat in themselves, but also pickled in rum? That’s terrific.
You know, like „black forest cake“ with chocolate cream.
A little overdone, but I hope you understand my intentions.

It’s like being in bed with your loved one by candlelight. When a gentle breeze makes the tulle curtain swing, when there is a glass of red wine next to the bed, when the sun is just about to set on the horizon, then this is the time when
Coasting
at just the right volume.

Of course, this also works without candles, without sunset and without Schatzi at his side. Because there is so much to discover here, which makes you more and more inflamed.

It is the small impassabilities that

HONEY CUTT

into something special.
The finely worked out tones, which convey a sadness and which, in fine nuances, reveal a melancholy and sadness behind what at first sight appears to be an almost cheerful façade, and then turn out to be stuck stitching lines. These subtle, incorporated almost punk attitudes, hinted at, perceptible and yet not destroying the breath of beauty, but rather expanding it, making it something precious.

This is like letting a piece of dark chocolate melt on your tongue, it slowly dissolves, fine, you notice the gentle sweetness of the cocoa bean hidden somewhere.

Kaley processes in her songs her life, her childhood, in which she arrived in Florida with her family without money and without a place to stay, where they actually wanted to take care of an older family member.

“I think that sometimes there is strength in just surviving. Seeing my mother get us through the things that she did when I was younger really made me who I am today.”

So the need was quite big and the longing for security and safety grew.
So did her desire to create something that grew beyond the normal level of attention. She began to wrap her own lyrics in songs.
At the age of 21 she played her songs in small bars in Orlando in front of an audience.
Songs that reflect a desperate determination, that reveal a different, true self deep inside, that contrast with prudent good-tempered surf pop – and give the album depth, foresight and intimacy.

Coasting
is obtrusive and full of barbs in its contradictions.
One absorbs them slowly but inexorably and perceives their presence in an almost liberating way.

Coasting
has much more to offer than the seemingly girlishly sparkling voice of the artist herself.

Coasting
invites us.
A wonderful, welcome acquaintance.

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