Scheinwerfer auf: MARISSA PATERNOSTER – Peace Meter

(photos & allrights: MARISSA PATERNOSTER / Bandcamp)

Dass diese Frau eine unanständig geile Stimme hat, weiß man ja.
Aber dass sie auch noch ein unanständig wunderbares (Solo-)Album aus dem Ärmel schütteln wird, am Ende dieses doch eher fragwürdigen Jahres, war nur bedingt abzusehen.

I Lost You ist so etwas wie ein heimlicher Hit des Jahres. Wie ein Weckruf, ein Marschbefehl, ein aufgeregtes, ja aufregendes Stück Musik mit ordentlich Wumms und Schmackes.
Sitzt irgendwo zwischen allen Stühlen und vermag es in seiner Stimmung und seinem Ausdruck, ja, seinem Beat mit Austra aufzunehmen, obwohl der Background beider Künstler mehr als große Unterschiede aufweist.

Auch will ja
Peace Meter
gar nicht konkurrieren mit dunkelschimmernden Indiedisco-Burnern.
Die Qualität der Songs kommt hier aus einer anderen Richtung. Wie schon in der Vergangenheit als Solokünslterin unter dem Namen Noun, erstrecht aber als Frontfrau der Screaming Females sind wir Kraft und Energie, abgedrehtheit und Schreien in punkiger Umgebung gewohnt.
Hier nun wird das alles eine Spur zurückgedreht und aus der Tiefe, aus dem Untergrund mit dem Blick nach oben musiziert.
Shame ist noch so ein Stück Musik, an dem man sich gar nicht satt hören kann und bei dem in jeder Sekunde Unvorhergesehenes geschieht.
Wenn wie in Running gar die Popkarte gezogen wird, die Drummaschine klappert und schräge Synthies die Melodie durchkreuzen, muss man schon doppelt zwinkern um da eine Verbindung herstellen zu können.
Relevantes und unverkennbares Merkmal von
MARISSA PATERNOSTER
ist und bleibt ihre Stimme, die variiert und wandelbar daherkommt, stets das Gefühl vermittelt, einen mitzureißen, aufzurütteln, anzustupsen.
Im Gegensatz zu ihrem Gesang bei den Screaming Females kommt sie hier weicher, softer, zurückgenommener daher, kein Frontalangriff, sondern eher ein heftiges Kratzen am Rücken mit Ankündigung, auf jeden Fall Spuren hinterlassend und naja, es kann auch mal ein wenig bluten.
Das nimmt man gern in Kauf, das nimmt man gern mit. Alles in Bewegug, es pulsiert.
Das ist eine ihrer Stärken, selbst in ruhigeren Momenten die Dynamik nicht zu vergessen und den persönlichen Schwung beizubehalten.
Das ist Persönlichkeit, Struktur und eine grundgeniale Stimmung, die hier erzeugt und über die Dauer des Albums gehalten wird.
Ein stetes Auf- und Abschwellen, ein Blick hinein ins brodelnde Becken, es ist heiß, es ist verlockend. Und irgendwann hat man einfach Lust, sich mal ein wenig die Finger zu verbrennen.

Ein beeindruckendes Album, schnörkellos und unaufdringlich, dafür aber in der Fülle seiner Ideen alles drumherum zur Seite schubsend.
Hier ist (kaum/) kein Platz für Andere.
Und ja, so ein cooler musikalischer Egoismus ist geradezu unschlagbar herausfordernd.

99/100

MARISSA PATERNOSTERPeace Meter
Don Giovanni Records, 3.12.2021

White Dove
Black Hole
I Lost You
Sore
Balance Beam
Shame
Waste
Running
Promise


// in english:

Spotlight on

That this woman has an incredibly cool voice, we know.
But that she will also shake an indecently wonderful (solo) album from the sleeve, at the end of this rather questionable year, was only partly foreseeable.
I Lost You is something like a secret hit of the year. Like a wake-up call, a marching order, an excited, yes, exciting piece of music with a lot of punch and punch.
Sits somewhere between all chairs and is able to take on Austra in its mood and expression, yes, its beat, although the background of both artists has more than big differences.
Also
Peace Meter
does not want to compete with dark shimmering indie disco burners.
The quality of the songs here comes from a different direction. As in the past as a solo artist under the name Noun, but even more so as the frontwoman of the Screaming Females, we are used to power and energy, weirdness and screaming in a punk environment.
Here now all this is turned back a notch and music is made from the depths, from the underground with an upward gaze.
Shame is another piece of music that you can’t get enough of and where the unexpected happens every second.
When, as in Running, the pop card is pulled, the drum machine clatters and weird synths cross the melody, you have to blink twice to be able to make a connection.
Relevant and unmistakable feature of
MARISSA PATERNOSTER
is and remains her voice, which comes along varied and changeable, always conveys the feeling to carry you along, to shake you up, to nudge you.
In contrast to her singing with the Screaming Females, here it comes across softer, softer, more restrained, no frontal attack, but rather a fierce scratching of the back with announcement, in any case leaving traces and well, it can also bleed a little.
One gladly accepts that, one gladly takes that. Everything is in motion, it pulsates.
That is one of her strengths, not to forget the dynamics even in quieter moments and to keep the personal momentum.
This is personality, structure and a fundamentally brilliant mood that is created here and held over the duration of the album.
A steady rise and fall, a peek into the bubbling pool, it’s hot, it’s enticing. And at some point you just feel like burning your fingers a little.
An impressive album, straightforward and unobtrusive, but pushing everything around it aside in the abundance of its ideas.
There is (hardly/) no room for others here.
And yes, such a cool musical egoism is downright unbeatable challenging.


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