Bedingsungslos: FEVER RAY -Radical Romantics (review)

(photos & allrights: FEVER RAY / Homepage)

° ° °
Immer für eine Überraschung gut.
Selten passte das besser.

FEVER RAY

ist Veränderung.

Und in einer Runde mit illustren Produzenten (unter anderem Schwergewicht Trent Reznor) erleben wir hier aus verschiedenen Sichtweisen abgedrehte, spacige und befremdliche Liebesbekundungen, the best to be und the cry of the beasts.

Waren auf ihrem Debüt noch romantische Töne in der Mehrzahl, haben wir hier all das, was outer space zu hören sein könnte, verfremdete Vocals, Sounds aus dem All, dem Dschungel und dem letzten Loch. Es kriecht und krabbelt, der Bass wummert, die Stimme beschwört und man weiß gar nicht genau, ob das nun ein schönes oder ein unanständiges, vielleicht auch unangenehmes Kribbeln ist, das diese Musik hier in uns verursacht.

Zwischen Grimes und Yazoo pendelt beispielsweise Looking For A Ghost. Dabei kommen auch asiatische/fernöstliche Klangmutationen nicht zu kurz, alles wie erwähnt in kühle, ästhetische Synthiesounds gekleidet, die zunächst befremdlich wirken, trotzdem aber einen nicht zu unterschätzenden Reiz ausmachen.

Das sich Karin Dreijer dabei wie auch schon auf dem Vorgängeralbum Plunge, das eher weniger zu gefallen und überzeugen wusste, selbst nicht zu ernst nimmt, erhört man im pluckernden und Synthiewavigen Carbon Dioxide, das fast technoid-frostig heranschleicht um dann Tempo zuzulegen und mit zerrenden Stimmen zu punkten weiß.

Es ist ein synthetisches, rhythmisches Verwirrspiel in dem wir stets darauf bedacht sind, den Ausgang nicht aus den Augen zu verlieren. Es könnte sein, das Böse lauert hinter der nächsten Note. Ein Aufschrei, ein Zischen, es gibt immer Dinge, vor denen man sich fürchten kann. Überall lauert der falsche Ton zur richtigen Zeit, hier wird nicht Halt gemacht, keine Linie bleibt unüberschritten, die Unvernunft der Schönheit, die Freude an der Gefahr und dem Unbekannten locken, zuckersüß.

Und schaut man sich Karin Dreijer auf dem Cover des neuen Albums an, wird einem ganz anders.
Dreijer verschafft einem nicht nur mit den Klängen eine Gänsehaut, sondern auch mit ihrem Blick, der in die Tiefe geht und den man so schnell nicht aus den Gedanken verdrängen kann.

Und trotz der vermeintlichen Kälte haben wir hier Songs, die einem ans Herz gehen und die einen enormen Wiederholungswunsch erwecken. Sicher nicht für alle Stimmungen geeignete Musik, um aber den Kopf frei zu bekommen und mal andere Gedanken herein zu lassen hervorragend geeignet.

Ganz am Ende fühlt man sich Laurie Anderson verbunden, wenn Oh-Oh-Oh-Oh zwar keinen Superman anflehen, aber doch unerklärt vielschichtig und rücksichtslos über uns hereinbrechen.

Für Faszination benötigt man nicht unbedingt Schönheit.

Hierüber sollte man sich Gedanken machen und noch einmal nachhören. Es gibt so viel zu entdecken, man kommt nicht wirklich hinterher.
Und wenn einem im einen Moment ein wenig unwohl ist, kommt gleich im nächsten so etwas wie eine klangliche, versöhliche Umarmung auf uns zu gerollt.

Beeindruckend und unerwartet.

° ° °
90/100

FEVER RAYRadical Romantics
Rabid Records, 10.3.2023

What They Call Us
Shiver
New Utensils
Kandy
Even It Out
Looking For A Ghost
Carbon Dioxide
North
Tapping Fingers
Bottom Of The Ocean

// in english:

Unconditional

Always good for a surprise.
Rarely did this fit better.

FEVER RAY

is change.

And in a round with illustrious producers (among others heavyweight Trent Reznor) we experience here from different points of view wacky, spacey and alienating declarations of love, the best to be and the cry of the beasts.

If on their debut romantic tones were still in the majority, here we have all that could be heard outer space, alienated vocals, sounds from space, the jungle and the last hole. It creeps and crawls, the bass booms, the voice conjures and one doesn’t really know whether this is a nice or a naughty, maybe even unpleasant tingling that this music causes in us here.

Looking For A Ghost, for example, oscillates between Grimes and Yazoo. Asian/Far Eastern sound mutations are also not neglected, everything as mentioned dressed in cool, aesthetic synth sounds, which at first seem alienating, but nevertheless constitute a charm not to be underestimated.

Karin Dreijer doesn’t take herself too seriously, as she did on the previous album Plunge, which was rather less appealing and convincing, as can be heard in the plucking and synthy lavish Carbon Dioxide, which creeps up almost technoid-frosty and then picks up speed and knows how to score with tugging voices.

It is a synthetic, rhythmic confusion in which we are always careful not to lose sight of the outcome. It could be that evil lurks behind the next note. A scream, a hiss, there are always things to be afraid of. The wrong note at the right time lurks everywhere, there is no stopping here, no line is left uncrossed, the unreasonableness of beauty, the joy of danger and the unknown beckon, saccharine.

And if you look at Karin Dreijer on the cover of the new album, you feel quite different.
Dreijer not only gives you goosebumps with the sounds, but also with her look, which goes into the depths and which you can’t push out of your thoughts so quickly.

And despite the supposed coldness, we have here songs that go to your heart and that awaken an enormous desire to repeat. Certainly not for all moods suitable music, but to get the head free and let other thoughts in excellent.

At the very end you feel connected to Laurie Anderson, when Oh-Oh-Oh-Oh doesn’t plead for Superman, but still bursts upon us unexplained multilayered and ruthless.

You don’t necessarily need beauty for fascination.

One should think about this and listen again. There is so much to discover, one does not really get behind.
And if one is a little uncomfortable one moment, something like a sonic, joyful embrace comes rolling towards us in the very next.

Impressive and unexpected.

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